Tag und Nacht

Tag und Nacht sind natürliche Gegebenheiten, die unseren Alltag strukturieren und unsere Wahrnehmung von Zeit und sichtbarem Zeitverlauf erheblich prägen. Wir können uns nicht orientieren und verlieren das Zeitgefühl, wenn wir keinen Wechsel von Taghelle und Nachtdunkel erfahren. Wir sind es psychologisch gewohnt, Tag und Nacht als natürliche Orientierungshilfen und als Gradmesser von Ereignissen anzusehen. Doch Tag und Nacht haben auch in sich bereits eine symbolische Aussagequalität. Der Tag wird im Rahmen der überall auf der Welt geltenden so genannten Lichtmetaphorik als hell, angenehm, gut und schön empfunden, die Nacht hingegen als dunkel, geheimnisvoll, Angst erzeugend und schlecht. Die ethische Zuordnung von Gut und Böse zu Tag und Nacht hat etwas damit zu tun, dass Menschen seit den Frühzeiten der Kultur die Tageshelligkeit – also das Licht der Sonne – als Glück bringend und Leben spendend ansahen, die Abwesenheit von Licht jedoch als potentielle Gefahr. Wenn Tag und Nacht im Traum eine besondere Rolle spielen, sollte man sich also fragen, ob wirklich alles taghell ist im Wachleben – ob also alle unsere Probleme klar sichtbar sind – oder ob vielmehr in der „Nacht unseres Bewusstseins“ irgendwo Gefahren lauern oder wir möglicherweise sogar geistig „umnachtet“ sind. Vielleicht wird es symbolisch gesehen auch endlich Zeit, „Licht ins Dunkel zu bringen“…

Der Tag ist symbolisch mit der Ich-Stärke, dem Ich-Bewusstsein, dem Selbstbewusstsein und dem menschlichen Ego verbunden, welches symbolisch auch durch die Sonne repräsentiert wird (ähnlich wie in der Astrologie). Wenn ein Traum tagsüber spielt, hat das etwas damit zu tun, dass wir unser Augenmerk auf die Dinge richten sollten, die sich vor aller Augen gut sichtbar abspielen, oder dass es um bereits bekannte Inhalte handelt. Es kann auch ein Hinweis darauf sein, die Informationen aus der Umwelt jetzt und in Zukunft unbedingt genauer wahrzunehmen. Alte Traumbücher sehen Träume vom Tag generell als ein gutes Omen an: geplante Vorhaben werden gelingen. Wenn die Taghelle im Traum zu stark wird und geradezu blendet, können wir uns fragen, ob wir im Wachleben irgendwo „geblendet“ sind, vielleicht von der Schönheit eines neuen Partners oder der Verlockung einer beruflichen Herausforderung? Zu viel Licht bewirkt bekanntlich das Gegenteil von Erkenntnis, nämlich Verblendung und Irritation. Die Lichtverhältnisse im Traum sind entscheidend für die Deutung: wer von Licht träumt – also von Tag, Sonne, Lichtstrahlen – ist entweder generell ein „sonniges“ Gemüt oder will gerade jetzt lichtvoll handeln, wer aber von zu viel Licht geblendet wird, sieht vielleicht die Dinge nicht, die sich gerade in seinem Umfeld tun. Nach dem Motto: „secrets hidden in plain sight“.

Die Nacht repräsentiert im Traum das Dunkle, Unbewusste oder Unterbewusste. Ähnlich wie im Tarot, wo der Mond das Unsichtbare im Alltag, das Mysteriöse und auch die Täuschung repräsentiert, ist die Nacht im Traumbewusstsein ein Hinweis darauf, dass wir irgendwo „im Dunkeln tappen“. Schlafwandelt man vielleicht sogar oder ist mondsüchtig? In der Nacht gibt es auch oft Romanzen – ist im Traum ein versteckter Hinweis auf eine Liebesaffäre enthalten? Aber es gibt auch Diebe und Einbrecher und allerlei „lichtscheues“ Gesindel in der Nacht, so dass es ein Anzeichen von schwebender Gefahr sein kann, von der Nacht zu träumen. Wer oft davon träumt, dass es Nacht ist, sollte sich fragen, welcher Lebensbereich bei ihm gerade verdunkelt wird oder obskur erscheint. Die Klassiker der Traumdeutung warnen bei Nacht-Träumen gern davor, dass Pläne scheitern oder ein Vorhaben sehr viel schwieriger wird, als gedacht. Anders ist es, wenn man aus dunkler Nacht kommend plötzlich Licht sieht, oder wenn der Traum in die Morgendämmerung übergeht. Dann gibt es buchstäblich einen „Silberstreif am Horizont“.

Die Dämmerung ist in der Natur der Zustand zwischen Tag und Nacht. Dämmerung im Traum bedeutet Unklarheit oder Unsicherheit in Projekten, unsichere Gefühle in der Liebe oder das Aufkeimen oder Absterben von Hoffnungen. Der Tagesanbruch (Sonnenaufgang) im Traum bedeutet Hoffnung und Zuwachs und der Morgen heißt dementsprechend, dass man zuversichtlich auf die Zukunft blickt und neuen Mut fasst. Die Abenddämmerung (Sonnenuntergang) im Traum bedeutet traditionell Schwierigkeiten und Feinde, die auf uns lauern, und der Abend will uns sagen, dass wir viel Arbeit hinter uns haben, aber nicht unbedingt optimistisch sind in Bezug auf das, was kommt. Doch es gilt auch hier immer, den gesamten Inhalt des Traums und die anderen Motive mit zu deuten.


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